Künstlerischers Selbstverständnis

Alle meine Arbeiten seit 1995 entstanden über biografische Bezüge. Mittels der Fotografie erstelle ich persönliche Dokumente und lege Sammlungen von Bildern an. Die so entstehenden Serien umkreisen Fragen von Heimat und Identität.

Mein Arbeitsprinzip fand ich 1995 für die Arbeit „MOLL 31“. Dieses Buch beschreibt die Zeit meines Aufwachsens in den siebziger und achtziger Jahren in einem Hochhaus am Alexanderplatz in Ostberlin, das inzwischen abgerissen wurde. Ich kombinierte frühe Familienbilder meines Vaters mit meinen eigenen späteren Aufnahmen in unserer ehemaligen Neubauwohnung. Neben persönlicher Erinnerungsarbeit suchte ich die Träume und das Erscheinungsbild einer bestimmten Zeit in der DDR zu beschreiben.

Auch die darauffolgende Arbeit „Lad“ (1996/97) diente der Versicherung und dem Aufheben. Sie widmet sich den öffentlichen Orten des Aufwachsens. Das Ziel war, die verstreuten Dinge, Orte und Räume, die mir viel bedeuteten, aus der Weitläufigkeit der Großstadt zu lösen und eine Sammlung stellvertretender Bilder anzulegen. Fotografien entstanden als persönliche Dokumente. Diese werden in einer Kiste auf Rädern, einer „Lad“, aufgehoben oder an der Wand gezeigt.

Im Jahr 2000 erschien meine Meisterschülerarbeit als Buch. „Hello from Bloomer. Viele Grüße aus Wismar“ basiert auf den Lebenswegen meines Großvaters Willi und dessen Onkel Willy. Beide Willis mußten als junge Männer aufgrund von Krieg und Weltwirtschaftskrise ihre Heimat Pommern verlassen. Beide bauten als Fleischermeister ihr Leben neu auf, beide gründeten Familien – einer in der DDR, einer in den USA. In einer Kombination aus gesammeltem Bildmaterial aus Familienalben und eigenen Fotografien zeigen sich sowohl strukturelle Veränderungen des täglichen Lebens über ein Jahrhundert als auch seltsame Dinge, die den Wandel überlebten. Fast gleichzeitig entstand die Arbeit „Gold und Silber lieb ich sehr“. Für dieses Buch re-inszenierte ich Notizen und Aufzeichnungen meiner Großmutter Annelise Loeper. Im Laufe von vier Jahren verlor sie ihr Gedächtnis, ihre Fähigkeit zu schreiben und zu sprechen.

2003/2004 entstand im Rahmen des Projektes Schrumpfende Städte der Bundeskulturstiftung die Arbeit „An die Schwestern des Carl Möglin“ über die Transformation einer mecklenburgischen Kleinstadt mitten in Europa, zu Beginn eines neuen Jahrtausends. Die Stadt schrumpft auf ihre mittelalterliche Größe zurück.

2006 entstand in Los Angeles die Serie „Welcome home“. Von einem fiktiven Ehemann begleitet, konnte ich heimlich in Häusern in Los Angeles fotografieren, die zum Verkauf standen. Gleichzeitig durchforschte ich den Immobilienteil der L.A.-Times und vergrößerte kleine Werbebilder über den digitalen Prozeß für die Wand. Bilder der Sehnsucht von Geborgenheit und Bilder der Spekulation stehen nebeneinander. 2008 zeigte ich die Arbeit erstmalig als große Wandtapete in der Akademie der Künste in Berlin.

Anschließend an die früheren fotografischen Serien „Lad“ (1996/97) und „Mitte, Berlin“ (2004/2005), die die Transformation der deutschen Hauptstadt in historischen und biografischen Bezügen zeigen, arbeitete ich seit 2013 an der Serie „zu eigen“. Der Blick ist suchend, nach Geschichte fragend, nach Material und Haptik. Die architektonischen Motive scheinen ohne Verwurzelung. Sie haben keinen Bildraum, keine Verankerung, sondern wirken temporär und hilflos in Bezug auf Formsprache, Verarbeitung und Materialwahl. Fassadenflächen erinnern eher an lackierte Oberflächen von Autos oder ornamentierte Keramikware, als dass sie den Bezug zu einer kulturell gründenden Architektur aufnehmen. Stadt scheint aus einer großen inneren Leerstelle gestaltet – ihre Muster eher in Displays, Katalogen oder vermeintlich unverfänglichen historischen Vorbildern suchend. In auffällig zweidimensionalen Bildern portraitiere ich die Stadt aus einer Perspektive der Kennenden, die sich einem ehemals bekannten Umfeld aus der Distanz, erneut und tastend, nähert.

Wiebke Loeper, 26. September 2015

Brief an die Schwestern des Carl Möglin (zum Mitnehmen in der Ausstellung)

Liebe Auguste und liebe Mathilde Möglin,

lang lang ist es her, es war wohl das Jahr 1887, daß Ihr Wismar verlassen habt und Eurem Bruder Karl nach Australien gefolgt seid!

Vieles habt Ihr im Laufe der Jahre aus Melbourne nach Wismar gesandt und Eure Heimat nie vergessen!
Großen Dank dafür! Liebe Mathilde, es war eine wunderbare Idee, Eure neue Umgebung malen zu lassen und uns dann die Gemälde zu schicken. So können wir uns Eure fremde Welt ja viel besser vorstellen!
Alle Gegenstände sind gut untergebracht im Heimatmuseum von Wismar, dem Schabelhaus, und werden unter dem Titel “Möglinsche Sammlung” geführt.
Die zwei ausgestopften Kängurus, der Koalabär und das Krokodil gingen leider während des Krieges verloren, nachdem sie 30 Jahre als Anschauungsmaterial im naturwissenschaftlichen Unterricht an der Knabenschule dienten. Euer Haus in Wismar, Schüttingstrasse 7, mit dem Hintergebäude und den Ställen ist inzwischen verkauft worden.

Was gibt es hier aus Wismar im Jahre 2005 zu berichten?
Wismar ist in keiner einfachen Lage. Wie damals, als Euer Bruder Carl 1854 diese Stadt als armer Schiffsjunge verließ, verlassen auch heute viele Menschen Wismar, um ihr Auskommen woanders zu finden. Trotz unserer schönen mittelalterlichen Innenstadt, wandern vor allem junge Menschen ab, weil die Arbeit fehlt. Die Abwanderung und Schrumpfung schreitet dramatischer voran, als noch im Jahre
2000 erwartet. Die Stadtregierung konzentriert sich auf den Erhalt und die Sanierung der Innenstadt. Ganze Stadtteile, die es zu Eurer Zeit noch nicht gab, werden jetzt wieder verschwinden. Das Neubaugebiet am Friedenshof II, das erst 1990 fertiggestellt wurde, ist im letzten Jahr großflächig abgerissen worden. Gleichzeitig entstehen neue Gebiete mit Einfamilienhäusern. Dafür gibt es Geld vom Staat.
Die Werft und der Hafen brauchen jetzt viel weniger Leute. Es gibt eine neue Holzfabrik, aber auch die
ist vollautomatisiert.

Es werden wohl nicht alle Auswanderer so viel Glück haben, wie Euer Bruder Carl und reich werden!
Ich schicke ein paar Bilder mit und verbleibe mit allen guten Wünschen nach Australien in die Ferne,

Eure Wiebke Loeper

Eröffnungsrede Maren Lübke-Tidow, Ausstellung „Lost in Space“, Galerie cubus-m, Berlin

Lost in Space
Guten Abend. Mein Name ist Maren Lübbke-Tidow und mir kommt heute Abend die Aufgabe zu,
ein paar Worte zu den ausstellenden Künstlerinnen und ihren Werken zu sagen. Speziell in Berlin
und in den Galerien dieser Stadt kommt mir die Gepflogenheit, eine Ausstellung mit einer Rede zu
eröffnen, eher ungewöhnlich vor. Umso mehr freut mich die Entscheidung der Galerie und ihren
Künstlerinnen, das Programm und die zu sehenden Arbeiten über den begleitenden Pressetext
hinaus inhaltlich weiter zu konturieren, und mit einer eröffnenden Rede eine weitere Perspektive
von Außen mit in die Ausstellung hineinzuholen.
Ich möchte zunächst Holger Marquart, den Betreiber der Galerie cubus_m, für die Einladung
danken, heute zu sprechen. Gleichermaßen gilt mein Dank den ausstellenden Künstlerinnen, die
offenbar darauf vertrauen, dass ich ihrer Arbeit etwas über die reine Wirkung im Raum
Hinausgehendes und inhaltlich Relevantes hinzuzufügen in der Lage bin. Wiebke Loeper und ihre
Arbeit kenne ich schon seit vielen Jahren, auch wenn wir beide selbst erst seit Kurzem im direkten
Gespräch über ihre fotografische Arbeit sind. Susanne Lorenz und ihre Arbeit habe ich erst mit der
Einladung zu dieser Eröffnung kennengelernt, und wie es so ist: Wenn man erst einmal auf ein Werk
gestoßen wird, taucht es plötzlich Allerorten auf. Auch ihr möchte ich für das vorab
entgegengebrachte Vertrauen danken.
Susanne Lorenz und Wiebke Loeper haben für ihre gemeinsame Ausstellung den Titel “Lost in
Space” gewählt. In der Vorbereitung zu dieser kleinen Rede bin ich immer wieder über diesen Titel
gestolpert – wohl auch deshalb, weil ich sie vergessen habe zu fragen, wie es zu diesem Titel
gekommen ist. Sie selbst werden – da bin ich mir sicher – dafür eine schlüssige Erklärung haben.
Mit “Lost in Space” assoziiere ich eine gewisse Orientierungslosigkeit gegenüber dem
Umgebungsraum, ein freies Schweben im Raum, dass dem Auge und dem Körper nicht erlaubt, die
Dinge und Gestalten, auf die das Auge trifft oder die der Körper streift, in wohlgeordnete
Begrifflichkeiten zu fassen oder zu formen. Und tatsächlich ist es so, dass in den Fotografien von
Wiebke Loeper und in den Objekten oder Gebilden von Susanne Lorenz es nur schwer möglich ist,
genau zu sagen, was zu sehen gegeben ist. Sie verweigern sich mit ihren jeweiligen Arbeiten einer
Übersicht und Abgeschlossenheit suggerierenden Darstellung von Raum und Körper – so wie es
vielleicht einem traditionell-dokumentarischen fotografischen Ansatz entspräche oder einer
konventionellen skulpturalen Manifestation im Raum. Quer zu einer Übersicht und
Abgeschlossenheit gebenden Sehweise zerfallen ihre (Bild-)Gegenstände und Objekte vielmehr zu
eigentümlichen Versatzstücken. Ihre Arbeiten sind also einem fragmentierendem Sehen geschuldet.
Die Bilder von Wiebke Loeper und die Objekte von Susanne Lorenz werden – so meine
Wahrnehmung – so in einer Spannung von (wenn das keinen Widerspruch provoziert) nüchterner
Melancholie und Aberwitzigkeit gehalten. Es ist etwas an ihnen oder in ihnen, was wir kennen –
ohne ganz genau sagen zu können, um was es sich handelt.
Der Begriff der “Spur” ist gerade im fotografischen Diskurs belastet, und ich will ihn hier gar nicht
tiefer fassen, dennoch ist er vielleicht geeignet, einen Moment in den Arbeiten der Künstlerinnen zu
beschreiben, der mir charakteristisch für ihre Arbeiten scheint, ein Moment, der zwischen
Wiedererkennen und Fremdbleiben changiert.
Es ist kein Zufall, dass Wiebke Loeper für die Bilder ihrer neuen fotografischen Serie den Titel “zu
eigen” gewählt hat. Er erzählt von einer spezifischen Aneignung des städtischen Umgebungsraums
gleichermaßen wie von einem Erstaunen über die Ungeordnetheit nur vordergründig geschlossener
und ausformulierter baulicher Erscheinungen. Ihre Bilder zeigen, dass neben den Ideen und
Vorstellungen von Formen von Gestaltung zB des städtischen Raumes die Ränder immer offen
daliegen und von Provisorien zusammengehalten sind. Rand meint hier nicht Peripherie, sondern
schlicht das “Dazwischen”, das, was zwischen Haus und Gesteig liegt, zwischen öffentlicher
Grünanlage und privatem Eigentum, zwischen Baustelle und Bankgebäude, zwischen Auto und
Kontaktparker. “zu eigen” zeigt, dass hinter jeder noch so glanzvollen Fassade und Oberfläche
immer auch das Unfertige, das noch nicht zuende gedachte oder zu Ende geführte lauert. Dass
Spuren des Gebrauchs noch jedem gerade erst gefertigtem Objekt eingeschrieben sind. Dass der
Raum sich niemals ganz klar aufteilen und abgrenzen lässt, sondern von Übergängen – und mögen
sie noch so wenig offen-faktisch und sichtbar sein – durchzogen ist, Übergänge, die teils kuriose
Liasonen eingehen.
Wiebke Loeper schiebt in dieser fotografischen Arbeit das Ding an sich gewissermaßen aus dem
Bild heraus und fokussiert auf dessen Ränder. Es ist ein reduktionistisches Verfahren, dass einen
spezifischen Aneignungsprozess beschreibt, indem auf die Begründung von Narrativen – ein
Moment, dass der Fotografie gewissermaßen eingeschrieben ist – explizit verzichtet wird.
Stattdessen gibt Wiebke Loeper die Sicht auf die provisorischen Ränder frei, die überall zu finden
sind, die aber nicht zwingend wahrgenommen werden, weil unser Auge im flüchtigen Sehen den
Raum immer zu einem geschlossenen Bild zusammenfügt. Sie zeigt die feinen und oftmals
unfertigen, unabgeschlossenen Übergänge von einer Situation auf eine andere, fokussiert
gewissermaßen auf den Kitt, der das wohlgeformt-geschlossene mit dem ungeformt-offenen
zusammenhält, und der immer irgendwie auch da ist.
Wenn Wiebke Loeper mit ihren Fotografien die Sicht auf die Übergänge (im städischen Raum), auf
das Provisorium freigibt, so mag für Susanne Lorenz möglicherweise der Begriff der Prothese
Bedeutung haben. Ausgangspunkt für Lorenz’ sulpturale Arbeit ist anders als bei Loeper nicht der
konkrete städtische Umgebungsraum, sondern die Gemälde der Vor- und Früh-Renaissance, eine
Phase in der Malerei, die für den Übergang vom Nicht- zum zentralperspektivischen Sehen steht,
perspektivische Blick- bzw. Bildpunkte also noch nicht ausformuliert waren. Aus diesen Gemälden
übernimmt sie dort aufgefundene Architektur- und Möbeldetails, führt sie aus dem Bild heraus und
überträgt diese in Objekte aus Holz und Plastilin. In der Transformation oder Übersetzung vom Bild
zum skulpturalen Gebilde hält sie an den im Bild gegebenen perspektivischen Verzerrungen und
Begebenheiten fest. Entstanden ist so die Serie mit dem (vorläufigem?) Titel “Perspektivobjekte /
Formkategorien: Bank, Tisch, Turm, Vordach”, die sich in Ausschnitten im ersten Raum der
Ausstellung wiederfinden. Auch in dieser Arbeit werden also keine Bilder oder Objekte
zurechtgewiesen oder -gerückt, um ein vollkommenes und abgeschlossenen Sehen zu ermöglichen,
sondern die Objekte und Gebilde werden in ihrer Offenheit und perspektivischen
Unabgeschlossenheit detailliert nachgebildet und in die Dreidimensionalität überführt. Sie fungieren
dabei in ihrer ganzen prothesenhaften Erscheinung – prothesenhaft auch, weil sie ohne eine Halt
gebende Wand oder ohne Stützen im Raum im wahrsten Sinne des Wortes gar nicht “bestehen”
könnten – gewissermaßen als (unabgeschlossene?) Modelle für die Wirklichkeit – so wie sie von
den Malern dereinst dem Betrachter als Zeugnisse des Gesehenen vorgeschlagen wurden.
Sowohl Susanne Lorenz wie auch Wiebke Loeper schlagen mit ihren jeweiligen Werken also einen
Perspektivewechsel im Sehen vor – ohne diese Perspektivewechsel irgendwie zu erfinden oder sich
auszudenken. Die als bild- und objektwürdig erachteten Dinge, Gestalten und Objekte sind immer
schon da, sie werden lediglich aus ihrem jeweiligen Zusammenhang herausgelöst und in neue
Situationen überführt. Dabei beharren die Künstlerinnen auf einem Eigenleben der Dinge, Gestalten
und Objekte. Und verhelfen ihnen durch ihren fragmentisierenden Blick zu einer eigenen Präsenz.
Durch dieses geradezu einstürzlerische Verfahren, das gegen eine Form der objektivierenden
Darstellungsweise arbeitet, gestehen sie ihnen eine wie ich meine exzellente Verschrobenheit zu.
Insofern mag das von ihnen einerseits im städtischen Raum, andererseits in bildnerischen Vorlagen
Vorgefundene zunächst tatsächlich im Raum verloren sein – wir erinnern uns an den Titel zur
Ausstellung, “Lost in Space” — dieses Moment des Verlorenen aber, das die Künstlerinnen zu
etwas bearbeitungswürdigem, zu etwas Bild- und Objektwürdigem erheben, erfährt im Prozess der
bildnerischen und skulpturalen Umsetzung gerade durch das genaue Sehen und das genaue
Arbeiten an Details eine extreme Präsenz und Dichte, die diesem Verständnis nach mit “Lost in
Space” nicht mehr viel zu tun hat. Vielmehr ist es eine streng konzeptionelle Arbeitsweise.
Wenn als ein verbindendes Moment zwischen den Künstlerinnen ein fragmentierendes Sehen und
ein Insistieren auf die Bedeutsamkeit des achtlos Übersehenen sowie das Beharren auf Reduktion
und Detail herausgestellt werden kann, und wenn wir im Versuch einer Beschreibung dessen, was
zu sehen ist, als Unterscheidungsmerkmal vielleicht die Begriffe des Provisorischen und des
Prothesenhaften produktiv machen können, so gibt es dennoch einen Moment, der die Arbeiten klar
voneinander trennt. Er liegt im medialen Zugriff begründet — und damit meine ich nicht die
schlichte Unterscheidung, die für jede und jeden sofort offen sichtbar ist , also das Arbeiten mit dem
Medium Fotografie und das Arbeiten an der Skulptur. Der voneinander verschiedene mediale
Zugriff aber begründet unterschiedliche Methoden: Während in den Fotografien von Wiebke Loeper
der (vorgefundene) Raum zu teilweise extremer Flächigkeit umgedeutet wird, wird bei Susanne
Lorenz wieder die (vorgefundene) Fläche zu extremer Räumlichkeit umgedeutet.
Wenn ich zuvor davon gesprochen habe, dass sich mit den Arbeiten von Susanne Lorenz und
Wiebke Loeper eine Präsenz der Dinge und Gestalten entfaltet, die sich aus dem Zugestehen und
der Betonung des Eigenleben jedes noch so nichtigen Details ergibt, dann gilt das für diese
Ausstellung selbst auch in Abstufungen. Diese Abstufungen sind der Tatsache geschuldet, dass die
räumlichen Gegebenheiten dieses Ausstellungsraumes selbst einen jeweils spezifischen Umgang
mit den Werken verlangen. Wie stark KünstlerInnen generell gefordert sind, auf die jeweils
vorgefundenen Bedingungen zu reagieren, macht diese Ausstellung sehr deutlich. So hat dieser
erste, straßenseitige Ausstellungsraum mit seiner Öffnung zum Außen mit seinen lose an die Wand
gehängten Inkjet-Prints und seinen zum Teil frei im Raum stehenden Skulpturen – ich spiele auf die
“Mährische Bank von Susanne Lorenz an – den Charakter eines offenen Spiels. Im zweiten
Ausstellungsraum hingegen, oben, haben wir es mit einer kabinettartigen Situation zu tun, die einen
anderen Umgang mit dem Material fordert. Hier hängen die Prints von Wiebke Loeper im jeweils
identen Format und werden von Rahmen gehalten — dadurch ergibt sich eine engimatischere
Situation, die wiederum Susanne Lorenz mit ihrer Entscheidung zu einer Art Sockelskulptur (wenn
man das so sagen darf), auf denen sie ihre Plastilinobjekte unter Glashauben zu Vitrinen stapelt,
noch zuspitzt.
Jenseits von “Objekten oder Versatzstücken mit Eigenleben” als die wir im Gespräch die Arbeiten
von beiden Künstlerinnen zu fassen versucht haben, kam immer wieder der Begriff der Skurilität
der Dinge und Gestalten auf, die in Wiebke Loepers und Susanne Lorenz’ Arbeit eine Rolle spielen.
Sie können sie in dieser Ausstellung finden – eine Skurilität allerdings, die ohne das streng
konzeptionelle Arbeiten der Künstlerinnen nicht vorstellbar und in dieser Weise nicht greifbar
werden würde.
Maren Lübbke-Tidow, 16. Oktober 2015