Liebe Auguste und liebe Mathilde Möglin,
lang lang ist es her, es war wohl das Jahr 1887, daß Ihr Wismar verlassen habt und Eurem Bruder Karl nach Australien gefolgt seid!
Vieles habt Ihr im Laufe der Jahre aus Melbourne nach Wismar gesandt und Eure Heimat nie vergessen!
Großen Dank dafür! Liebe Mathilde, es war eine wunderbare Idee, Eure neue Umgebung malen zu lassen und uns dann die Gemälde zu schicken. So können wir uns Eure fremde Welt ja viel besser vorstellen!
Alle Gegenstände sind gut untergebracht im Heimatmuseum von Wismar, dem Schabelhaus, und werden unter dem Titel “Möglinsche Sammlung” geführt.
Die zwei ausgestopften Kängurus, der Koalabär und das Krokodil gingen leider während des Krieges verloren, nachdem sie 30 Jahre als Anschauungsmaterial im naturwissenschaftlichen Unterricht an der Knabenschule dienten. Euer Haus in Wismar, Schüttingstrasse 7, mit dem Hintergebäude und den Ställen ist inzwischen verkauft worden.
Was gibt es hier aus Wismar im Jahre 2005 zu berichten?
Wismar ist in keiner einfachen Lage. Wie damals, als Euer Bruder Carl 1854 diese Stadt als armer Schiffsjunge verließ, verlassen auch heute viele Menschen Wismar, um ihr Auskommen woanders zu finden. Trotz unserer schönen mittelalterlichen Innenstadt, wandern vor allem junge Menschen ab, weil die Arbeit fehlt. Die Abwanderung und Schrumpfung schreitet dramatischer voran, als noch im Jahre
2000 erwartet. Die Stadtregierung konzentriert sich auf den Erhalt und die Sanierung der Innenstadt. Ganze Stadtteile, die es zu Eurer Zeit noch nicht gab, werden jetzt wieder verschwinden. Das Neubaugebiet am Friedenshof II, das erst 1990 fertiggestellt wurde, ist im letzten Jahr großflächig abgerissen worden. Gleichzeitig entstehen neue Gebiete mit Einfamilienhäusern. Dafür gibt es Geld vom Staat.
Die Werft und der Hafen brauchen jetzt viel weniger Leute. Es gibt eine neue Holzfabrik, aber auch die
ist vollautomatisiert.
Es werden wohl nicht alle Auswanderer so viel Glück haben, wie Euer Bruder Carl und reich werden!
Ich schicke ein paar Bilder mit und verbleibe mit allen guten Wünschen nach Australien in die Ferne,
Eure Wiebke Loeper